Wenn Hightech Lebensqualität schenkt.

Mit Messer und Gabel essen, Medizin abmessen, Schuhe binden, eine Flasche öffnen, ja, einfach nur mehrere Dinge gleichzeitig tun, das alles ist für die meisten von uns absolut selbstverständlich. Dies alles mit einer Hand zu bewerkstelligen – unvorstellbar! Und doch gibt es unzählige Menschen, die genau auf diese Selbstverständlichkeit verzichten müssen.

Thomas Dreher ist einer dieser Menschen. Er sieht sehr sympathisch aus, ein Mittdreißiger mit langen Haaren, die ordentlich zu einem Pferdeschwanz gebunden sind, Iron-Maiden-T-Shirt. Ein durch und durch offener, lebensbejahender Mensch, der etwas bewegen will. Trotz oder vielleicht gerade aufgrund seiner Behinderung.

Dreher wurde ohne linke Hand geboren. Der Arm endet in einem Stumpf. Er wird dieses Jahr 36 Jahre alt. Der Vater ist Fernfahrer, die Mutter ist meist allein zu Hause, leidet unter psychischen Problemen. Seine Kindheit? „Keine gute“, sagt Dreher, der früh lernen musste, auf eigenen Füßen zu stehen.

 

Er zieht die Schule durch, macht seinen Hauptschulabschluss und absolviert in dem Wissen, schnell Geld verdienen zu müssen, eine Ausbildung im Metallbau. Dreher will arbeiten, doch das System sieht das anders: Er soll in eine Behinderten-Werkstätte abgeschoben werden, wie er es selbst formuliert.

Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) gelten als Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation. Sie bieten Menschen einen Arbeitsplatz, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Dreher kann nicht nur arbeiten, er will es auch. Er erhält schließlich, nach vielen Schwierigkeiten, eine Anstellung bei Schlecker.

 

Er arbeitet sich nach oben, wird sogar Schichtführer. Als die Schließung der Kette erfolgt, wird ihm angeboten, in Rente zu gehen. Wieder entscheidet sich Dreher anders. Er geht in die Pflege, will anderen helfen. Heute arbeitet er im Pflegedienst, in der Einzelbetreuung, und kümmert sich – er, der nur eine Hand hat – selbst um Behinderte.

Dreher will arbeiten. Er will nicht nur teilhaben. Will Mensch sein, nicht in eine Schublade gesteckt werden. Ihm fehlt schließlich nur eine Hand. Doch genau das wird zu einem immer größeren Problem. Auch wenn er es über die Jahre geschafft hat, deren Fehlen zu kompensieren, bekommt er nun genau dafür die Quittung.

 

Das große Problem ist, dass durch die extreme einseitige Belastung des gesunden Armes, der gesunden Seite, dieser immer mehr in Mitleidenschaft gezogen wird. Und nun auch nicht mehr genesen kann. Während der ganzen Zeit ist Dreher auf der Suche nach Unterstützung. Er liest viel, weiß, dass es andere Möglichkeiten gibt, seine fehlende linke Hand zu ersetzen, als die, die ihm die Krankenkasse, die Rentenversicherung und das Sanitätshaus bis jetzt zusprechen.

 

Er kämpft um die Genehmigungen und findet endlich in Herrn Lehmair, jetzt bei der AGM Müller, seinen Ansprechpartner. Lehmair hat die intensive Ausbildung und Produktschulung für sogenannten myoelektrische Prothesen durchlaufen. Myoelektrische Prothesen reagieren auf die jeweiligen Muskelsignale des Trägers – wenn Mensch und Programmierung perfekt aufeinander abgestimmt sind.

Es gibt nicht viele Menschen, die diese Ausbildung und das Wissen haben – und auch nicht viele, die eine solche Prothese bekommen.

 

Dreher bekommt zunächst eine Testhand. Der Umgang über die Muskelsteuerung kann für viele Betroffene anfangs sehr schwierig sein. In der parallel laufenden Ergotherapie soll das erlernt werden. Doch Dreher muss den Umgang so gut wie nicht üben. Er kann nun Würfel stapeln oder Münzen aufnehmen, ganz filigrane Gesten eben, die bis dato nicht möglich waren. Dreher liebt alles Innovative. Darunter auch seine Apple Watch, auch wenn die Bedienung zum Teil ein Problem darstellt. Vielleicht gelingt ihm deswegen die Adaption so schnell.

Herr Dreher und Herr Lehmair gehen den langen, steinigen Weg, den Anspruch bei der Krankenkassen- und Rentenversicherung durchzusetzen, gemeinsam. Die sogenannten „Gebrauchsvorteile“ müssen laut Sozialgesetz erst einmal nachgewiesen werden. Endlich ist es so weit: Nach 34 Jahren Leidensweg wird Thomas Dreher Anfang 2019 die Prothese zugesprochen. Die Kosten: ca. 70.000 €. Hightech pur: Die Prothese wird durch die Anspannung der Muskeln und eine dazugehörige App gesteuert.

Da Dreher einen Stumpf hat, der sehr lang ist, kann er kein bewegliches Handgelenk bekommen, aber eine „bewegliche“ Hand mit Gestensteuerung für alle fünf Finger. Durch Programmierung sind verschiedenste Griffmuster möglich, in der Voreinstellung sind es bereits 36.

 

Dennoch hätte er gerne noch eine weitere Hand. Zum Austauschen quasi. Denn für die Betreuung Schwerbehinderter wäre eine Art Arbeitshand passender. Für diese Arbeit, die er als so wichtig ansieht und für die händeringend Personal gesucht wird, ist die neue Hand zu filigran.

Es bleibt zu hoffen, dass sich Dreher und sein Wunsch nach Lebensqualität für sich und andere auch hier wieder durchsetzen. Zu wünschen wäre es ihm. Die AGM Müller und Herr Lehmair werden auch in diesem Fall alles tun, um Thomas Dreher zu unterstützen. Sollten Sie Fragen haben oder selbst auf der Suche nach einem geeigneten Orthopädietechniker sein, rufen Sie uns an. Wir machen uns für Sie stark.